Weichteiltumore

Autor:  Dr. Andreas Klonz, ATOS-Praxisklinik   

Einleitung

Bösartige Weichteiltumoren sind insgesamt selten (30 Fälle/Jahr/ 1 Millionen Einw.). Die Prognose bösartiger Weichteiltumoren hat sich durch den Einsatz multimodaler Therapiekonzepte wesentlich verbessert. Vorraussetzung ist allerdings eine fachgerechte Betreuung, schon bevor die Dignität des Tumors gesichert ist.

Eine unsachgemäße Operation ist unbedingt zu vermeiden. Es muss immer ein maligner Tumor in Betracht gezogen werden.
Weichteiltumoren bei Kindern unterscheiden sich in ihrem biologischen Verhalten und in ihrer Therapie und werden an diesbzgl. spezialisierten Zentren  behandelt.

Grundsätzlich ist unabhängig von Größe und Lokalisation immer mit einem malignen Tumor zu rechnen. Zusätzliche Warnsignale sind folgende Symptome:

  • Rasches Wachstum
  • Schmerz
  • allgemeine Tumorzeichen (Gewichtsverlust, Nachtschweiß, etc.)
  • Derbheit, Unverschieblichkeit
  • tiefe Lokalisation

Empfohlenes diagnostisches Vorgehen

Nur bei kleinen Tumoren, die o.g. Kriterien für einen bösartigen Tumorverdacht nicht erfüllen, kann man den Tumor direkt in einer OP entfernen. Ansonsten sollte die erste OP in einer Probeentnahme bestehen, um das Gewebe mikroskopisch zu untersuchen. Danach kann der Tumor näher klassifiziert werden um das weitere Vorgehen optimal zu planen.

Klassifikation

Definition: Weichteilsarkome sind maligne, mesenchymale Neubildungen der Extremitäten oder des Körperstammes.

Folgende Informationen sollten zur Therapieplanung vorhanden sein, da sie Prognose und Therapie grundlegend beeinflussen:

  1. Tumortyp (Histomorphologie)
  2. Malignitätsgrad (Grading)
  3. Lokale Ausdehnung (Größe, intrakompartimental/extrakompartimental)
  4. Metastasierung (Staging)

Zur Zeit findet sowohl die TNM Klassifikation der UICC (Wittekind, Springerverlag 2003), als auch das Surgical Staging System (SSS) nach Enneking (Enneking, Cancer 47, 1981) Anwendung.

Zur Diagnostik ist unbedingt ein Schnittbildverfahren (Kernspinuntersuchung) erforderlich. Dadurch kann bereits eine Einschätzung erfolgen, ob es sich um einen bösartigen oder gutartigen Tumor handelt. Außerdem kann für das weitere Vorgehen die Lokalisation genau definiert werden.

Eine genaue Aussage, um welchen Tumortyp es sich handelt ist trotzdem meist noch nicht möglich. Deshalb wird ab einer Tumorgröße von 3-5 cm eine Probeentnahme vor der endgültigen Operation durchgeführt.

Zu beachten ist, dass Weichteilsarkome eine hohe Neigung zur Tumorzellverschleppung haben. Desweiteren bilden sie eine Umgebungszone, die häufig Tumorzellen enthält. Der Biopsiekanal muss in der endgültigen Operation mit entfernt werden. Die Biopsie sollte deshalb durch, oder zumindest in Absprache mit dem späteren Operateur erfolgen.

 

Therapie von Weichteilsarkomen

Die Prognose bösartiger Weichteiltumoren wird unabhängig von der Tumorgröße durch die Radikalität der Primäroperation  bestimmt.

In jedem Fall ist eine vollständige Tumorentfernung mit Sicherheitsabstand notwendig. Moderne Operations- und Rekonstruktionstechniken, sowie ggf. die zusätzliche Strahlentherapie ermöglichen heute in > 80% ein extremitätenerhaltenes Vorgehen mit ausreichendem Erhalt der Funktion. Strahlentherapie und Chemotherapie können eine nicht ausreichende Operation nicht kompensieren!

Nach der Operation wird die weitere Therapiestrategie nach Erhalt der endgültigen mikroskopischen, histologischen Beurteilung, Typisierung und nach Beurteilung der Resektionsqualität besprochen.

Chirurgie

Man unterscheidet radikale, weite, marginale und intraläsionale Resektionen. Wenn unter funktionellen und anatomischen Gesichtspunkten möglich, sollte eine radikale Operation (Kompartmentresektion) erfolgen. Eine weite Resektion ist in jedem Fall Therapieziel. Aggressive benigne Tumoren (z.B. Desmoide) und „halbbösartige“ Tumoren sollten ebenfalls durch eine weite Resektion therapiert werden.

1) Radikale Operationen

Kompartmentresektion : Komplette Entfernung aller befallenen Muskelkompartimente, inkl. Fascie und Sehnenübergang. Nicht möglich bei primär extrakompartimentaler Lokalisation, z.B. in den Gelenkbeugen (z.B. Kniekehle).

2)  Weite Resektion (eingeschränkt radikale Resektion)

Kompartmentgerechte Resektion: weitest möglicher Sicherheitsabstand zum Tumor unter Berücksichtigung funktioneller Gegebenheiten
weitestgehende Mitnahme angrenzender Strukturen

3) Amputation

letzte Möglichkeit, wenn

  • ausreichender Funktionserhalt nicht möglich
  • ausreichende Radikalität anders nicht zu erreichen ist
  • bedeutet nicht unbedingt höhere Radikalität

Bewertung

Kompartmentresektion : geringstes Lokalrezidivrisiko (0-10%)

weite Resektion : ohne adjuvante Therapie Lokalrezidivrisiko 40-60%; mit adjuvanter Strahlentherapie gute lokale Tumorkontrolle

Zusatzbehandlung

Strahlentherapie

Bei primär nicht oder nur grenzwertig resektablen Tumoren ist eine präoperative Strahlentherapie mit dem Ziel der Verbesserung der Resektabilität indiziert.

Nach inkompletter Resektion oder unbekanntem Resektionsstatus sollte eine adjuvante Strahlentherapie durchgeführt werden. Auch nach kompletter Resektion (R 0) kann eine postoperative Strahlentherapie die Lokalrezidivrate signifikant senken und ist indiziert bei großen Tumoren von intermediärem oder hohem Malignitätsgrad. Ein Verzicht auf die Strahlentherapie ist nach einer allseits weit im Gesunden Resektion möglich.

Chemotherapie

Die adjuvante Chemotherapie sollte bei hochmalignen Weichteilsarkomen der Extremitäten erfolgen. Rhabdomyosarkome und Tumoren der Ewingsarkomfamilie werden nach speziellen Protokollen behandelt.

Neoadjuvante Therapie

Eine neoadjuvante Therapie vor der Operation kann im Einzelfall für Patienten mit „Hochrisiko Weichteilsarkom“ (ab Stadium UICC IIIb, entsprechend G3T2) diskutiert werden. Insbesondere dann, wenn der Tumor nicht oder nicht sicher weit im Gesunden zu entfernen ist oder am Körperstamm (inkl. Kopf-/Halsregion) lokalisiert ist.

Im Rahmen von Studienprotokollen standardisiert ist eine neoadjuvante Therapie für das Ewingsarkom und das Rhabdomyosarkom.

Zum Einsatz kommt die Strahlentherapie oder eine Radiochemotherapie.

 

Nachsorge

[in Anlehnung an die Empfehlung der Onkologie Kommision der KVN, Stand 2001]

Ziel der Nachsorge ist die Erkennung von Lokalrezidiven und Fernmetastasen. Sie erfolgt durch den Hausarzt. Vier bis acht  Wochen nach Abschluss der Lokaltherapie (OP/Radiatio) sollte ein Ausgangsbefund erhoben werden.

Untersuchungsintervalle

1/4 jährlich in den ersten 3 Jahren

1/2 jährlich 3.-5. Jahr

jährlich ab 5. Jahr

Untersuchung

  • Lokalbefund, regionale LK
  • Sono lokal
  • MRT lokal und Röntgen Thorax (1/2 jährlich in den ersten 3 Jahren, danach jährlich)

Rezidiv

Die Therapie des lokoregionären Rezidivs erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie die Behandlung des Primärtumors. Der diagnostische Algorhythmus ist entsprechend, d.h. lokale Bildgebung, event. eine erneute Biopsie, vollständiges Staging zur Erfassung oder zum Ausschluss einer bereits erfolgten Dissemination und eine erneute interdisziplinäre Tumorkonferenz.

Metastasen

1) Lungenmetastasen

Die Lungen sind häufigster Ort der Fernmetastasierung von Weichteilsarkomen. Die Operabilität ist im Einzelfall unter Berücksichtigung von Lokalisation, Anzahl und Grösse der Metastasen, sowie der resultierenden Restfunktion der Lunge zu beurteilen. Ob eine systemische Therapie indiziert ist, muss im Einzelfall entschieden werden.

2) Isolierter Befall der regionalen Lymphknoten

Isolierte Lymphknotenmetastasen geben Anlass zu einem aktuellen Staging. Ggf. ist die Resektion und adjuvante Bestrahlung des Lymphabstromgebietes indiziert.

3) mehrfache  Metastasierung

Indikation zur palliativen, symptomorientierten Therapie; im Einzelfall ist die Indikation zu einer systemischen Chemotherapie zu diskutieren.